THC Angaben auf dem Saatguttütchen – was taugt diese Zahl wirklich?

Viele Samenhändler werben mit beeindruckenden Zahlen: „20 % THC!“, „30 % THC!“ oder „40 % THC!“.
Doch was steckt hinter diesen Angaben – und was bedeutet das für uns als Anbauverein, der seine Ergebnisse regelmäßig im Labor prüfen lässt?
Dieser Artikel zeigt, wie solche Werte zustande kommen, wie sie realistisch einzuordnen sind und warum umsere eigenen Messergebnisse die einzig belastbare Grundlage für Qualität und Wirkung darstellen.

Wie aussagekräftig ist ein hoher THC-Wert?

Ein hoher THC-Gehalt klingt nach Qualität – ist aber nur ein Teil des Gesamtbildes.
THC (Δ9-Tetrahydrocannabinol) ist zwar der Hauptwirkstoff, der für die psychoaktive Wirkung verantwortlich ist, doch die Wirkung von Cannabis wird immer durch das Zusammenspiel aller Inhaltsstoffe bestimmt: THC, CBD, Terpene und weitere Cannabinoide.

Ein Gras mit 30 % THC kann bei ungünstigem Terpenprofil flach und reizend wirken, während ein anderes mit 16 % THC und ausgewogener Terpenkomposition runder, klarer und angenehmer empfunden wird.
Kurz gesagt: Mehr THC ist kein Zeichen für bessere Qualität oder stärkere Wirkung.

Wie sehen die THC-/CBD-Werte am europäischen Markt aus?

Die Europäische Drogenagentur (EMCDDA) veröffentlicht jährlich Analysen zum THC Gehalt in Europa.
Laut dem European Drug Report 2024 lag der mittlere THC-Gehalt in beschlagnahmtem Cannabis-Kraut (Blüten) bei rund 10–11 % und Harzproben (Haschisch) im Schnitt bei 23 %.
In Deutschland liegen die Werte laut Landeslaboren im Durchschnitt leicht darüber, meist zwischen 12 % und 15 % – je nach Herkunft und Verarbeitung.
Die bei unserem Labor Miraculix eingereichten Problen aller CSC’s lagen im Durchschnitt bei 14%.

Das zeigt:
Ein THC-Wert von 24 % ist nicht unmöglich, aber weit über dem Marktdurchschnitt und kommt nur unter optimalen Bedingungen vor.
Wenn man sich die Mühe macht und die Proben im europäischen als auch deutschem Durchschnitt vergleicht dann entsprechen die bei Miraculix eingereichten Proben mit 14 % ziemlich genau dem, was realistisch und marktüblich ist.

Wie entstehen die THC-/CBD-Angaben beim Händler?

Hier darf man ruhig etwas kritisch und unterstellend sein. Die Werte, die Händler auf ihren Verpackungen angeben, sind fast immer:

  • Spitzenwerte einzelner Pflanzen (nicht Durchschnittswerte),
  • unter optimalen Laborbedingungen erzeugt,
  • und oft von Händlern oder Züchtern selbst getestet – also ohne unabhängige Kontrolle.

Alle Hersteller „runden“ ihre Werte großzügig auf oder übernehmen sogar Angaben von verwandten Sorten, um ihre Samen potenter und damit verkaufsstärker erscheinen zu lassen.
Ein „bis zu 24 % THC“ bedeutet daher in Wahrheit: Irgendwann hat einmal eine einzelne Pflanze dieser Genetik – unter optimalen Laborbedingungen – vielleicht diesen Wert erreicht.

Das lässt sich gut mit der Automobilbranche früherer Jahre vergleichen:
Auch dort wurden Fahrzeuge für die offiziellen Verbrauchstests optimiert – unnötige Teile ausgebaut, Tests auf abgesperrten Strecken durchgeführt und der Reifendruck extrem erhöht, um den Spritverbrauch künstlich zu senken. Erst als verbindliche Testverfahren unter externer Kontrolle eingeführt wurden und die Hersteller für ihre Angaben haftbar waren, normalisierten sich die Ergebnisse. Trotzdem dürfte kaum jemand die Verbrauchswerte aus den Hochglanzprospekten jemals im Alltag erreicht haben.

Ähnlich verhält es sich beim Cannabis:
In den USA wurde mehrfach dokumentiert, dass Produzenten gezielt Labore mit tendenziell höheren Messwerten auswählen („Lab-Shopping“), um ihre Produkte „potenter“ wirken zu lassen.
Das wirkt – denn viele Konsumenten und Homegrower wählen ihre Sorten noch immer nach der höchsten THC-Zahl auf dem Etikett aus. (zum Nachlesen)

Wie werden die THC-/CBD-Werte bei uns ermittelt?

Unser Verein arbeitet nach einem standardisierten, dokumentierten Verfahren, das sich am offiziellen Miraculix-Probennahmekonzept für Anbauvereinigungen (Version 2.2, 2024) orientiert.
Ziel ist es, repräsentative, nachvollziehbare und wissenschaftlich belastbare Analysen zu erhalten.

  1. Mischprobe statt Einzelblüte:
    Aus jeder Charge werden mehrere Teilproben aus unterschiedlichen Bereichen der Pflanze entnommen. So wird die natürliche Heterogenität innerhalb der Pflanzen berücksichtigt.
  2. Repräsentativität und Genauigkeit:
    Durch die Aufteilung in Fächer und das Zufallsprinzip wird ein 95 %-Konfidenzniveau erreicht – also eine statistisch abgesicherte Repräsentativität der Gesamtcharge.
  3. Mengenberechnung:
    Die entnommene Probenmenge pro Entnahmestelle beträgt 0,5 % des Gesamtgewichts der Charge
    (z. B. 5 g bei 1 kg Blüten). Bei größeren Chargen werden mehrere Proben gezogen, um die Homogenität sicherzustellen. Wir senden immer so um die 8g zum Labor.
  4. Dokumentation:
    Jede Probenahme wird fotodokumentiert und mit einem Probenbegleitschein versehen.

Das Verfahren zur Entnahme der Proben als Mischprobe und nicht als Einzelblüte garantiert das ein durchschnittlicher THC Gehalt der gesamten Ernte eine Sorte homogen ist und nicht nur die Spitzenwerte aus der Blüte getestet werden. ud somit repräsentativ sind.

Im Labor werden die Cannabinoide mittels Hochleistungsflüssigkeitschromatographie (HPLC) bestimmt.
Dabei werden THC, THCA, CBD und CBDA getrennt gemessen und anschließend der sogenannte
„Total THC“ nach internationalem Standard berechnet:

Total THC = (THCA × 0,877) + THC

Diese Methode vermeidet Messfehler durch Decarboxylation und erlaubt einen präzisen Vergleich der Ergebnisse zwischen unterschiedlichen Proben.

Nur diese Form der standardisierten Mischprobenanalyse liefert einen repräsentativen Durchschnittswert, der die gesamte Charge beschreibt.
Einzelblüten, Spitzenproben oder visuell ausgewählte Muster würden das Ergebnis verfälschen – meist nach oben.

Warum dieses Verfahren sinnvoll ist?

  • Fair und vergleichbar: Jede Probe repräsentiert die gesamte Charge – nicht nur ihre „besten“ Teile.
  • Nachvollziehbar: Jede Entnahme ist dokumentiert, fotografiert und personell zugeordnet.
  • Statistisch abgesichert: Minimiert Stichprobenfehler und sorgt für reproduzierbare Ergebnisse.
  • Rechtlich belastbar: Die Vorgehensweise erfüllt die Anforderungen an eine qualifizierte Probennahme nach wissenschaftlichen Standards.

Zahlen auf der Verpackung sind Marketing. Laborwerte sind Wissenschaft.